Samstag, 26. März 2011

„Dieses Jahr fällt Weihnachten aus“, oder „Wer stahl mir Weihanchten?!“

Erst mal vorneweg, ich weiß, Weihnachten ist schon wieder ein bisschen her, aber an diesem Eintrag bin ich einfach soo unglaublich gehangen, wie bei noch keinem davor. Es tut mir wirklich leid, aber jetzt ist er fertig, und die nächsten stehen auch schon in den Startlöchern… ;)

Also, nun aber zur Sache.
Weihnachten… - so ein großes Thema, da weiß man gar nicht wo man anfangen soll, schließlich ist das mehr, als lediglich Heiligabend.

Deshalb fang ich jetzt einfach mal so an:
Advent, Kälte, Adventskranz, Schnee (-chaos), Weihnachtsrummel in den Fußgängerzonen, Adventskalender, Lebkuchen, kurze Tage und kuschelige Abende, Christkindelmärkte, Plätzchen backen und natürlich Glühwein, ach, die Liste ließe sich wohl unendlich lang fortsetzen.

Ja, all das ist Weihnachten, wie es sich wohl ein jeder von uns ungefähr vorstellt. Tja, und all das sucht man leider vergeblich hier in Ecuador :(.
Wie um alles in der Welt soll da vernünftige vorweihnachtliche Stimmung aufkommen? :S
Noch das deutlichste Anzeichen für das bevorstehende Weihnachtsfest waren wohl die zahlreichen, grauenvollen „Ami-Kitsch-Blinke-Lichterketten“ die bereits seit Mitte November einen Vorgarten nach dem anderen eroberten. Im Gegensatz zu Deutschland, wo man meinem Eindruck nach diesen schauerlichen Schund tendenziell eher in sozial schwächeren Gegenden vorfindet, ist dies hier eher ein Ausdruck von Wohlstand – ja, wer wirklich etwas auf sich hält, der ergänzt das ganze sogar noch mit einem Plastik-Weihnachtsbaum, der schrecklich schräge und kaum identifizierbare Weihnachtslieder vor sich hin dudelt.
In etwa so darf man sich dann auch die Mehrheit der „Indoor-Christbäume“ vorstellen, die ebenfalls bereits einige Wochen vorher installiert wurden. Hierbei hatte ich sogar noch verhältnismäßig Glück – unseren Plastikbaum zierte eine ordinäre, nicht singende Lichterkette und unter den Unmengen an Weihnachtsschmuck konnte er schon fast als „echter“ Christbaum durchgehen. Somit konnte man auch großzügig über die wild zusammengewürfelte und mittelmäßig stilvolle Krippe hinweg sehen. :)



Unser Baum mit Lichterkette und Krippe.

Doch auch wenn es einem unter diesen Umständen etwas „spanisch“ vorkam, dass das Fest der Liebe schon so kurz bevorstand, so hatte ich dieses Jahr doch immerhin gleich drei Weihnachtsfeiern, die mich laufend daran erinnerten :).
Den Anfang machte am Freitag den 17.12. unsere Organisation VASE mit dem „evento navideno“. Dieses fand im „Camp Hope“ statt, einem Projekt, das sich um Kinder und Jugendliche mit Behinderung kümmert – zum einen unterrichtet es diese in integrierten Klassen mit gesunden Schülern, zum anderen bietet es für einige ein dauerhaftes Zuhause. Linda, eine schweizer Freiwillige aus unserer Gruppe arbeitet dort und so hatten wir schon einige Wochen vorher per Abstimmung entschieden, dass sich alle Volunteers an jenem Freitag dort versammeln sollten um eine Weihnachtsfeier für die Kinder des Projekts zu veranstalten.
So verteilten wir uns auf vier verschiedene Stationen, an denen die in Gruppen aufgeteilten Schüler jeweils eine gewisse Zeit verbrachten, bevor sie zur nächsten Aktion weiter „rotierten“. So hatten sie die Möglichkeit sich Märchen vorlesen zu lassen, und danach zu malen, Weihnachtslieder zu singen, Windlichter zu basteln und 30kg!!!! Plätzchen-Teig zu verarbeiten.

Im Anschluss gabs dann noch ein von manchen Freiwilligen einstudiertes Theaterstück, bei welchem dem Weihnachtsmann von einer bösen Dämonin die Rentiere geklaut wurden, oder so ähnlich ^^. Damit Weihnachten nicht ausfällt mussten die Kinder mithelfen die Rentiere wieder zu finden, insgesamt wirklich ein großer Spaß „für groß und klein“ ;). Ich hatte die ehrenvolle Aufgabe gemeinsam mit Felix eine grooße Tür zu spielen… :).
Danach verteilte „Papa Noel“ aus dem Stück noch von unserer Organisation VASE gekaufte Geschenke an die Kinder. Diese freuten sich riesig über die Plastik-Dinosaurier, Schachbretter, Actionfiguren usw usw…
Außerdem gab es noch für jeden ein Tütchen mit den selbst gebackenen Plätzchen.

Nachdem die Schüler dann alle verschwunden waren und wir noch ein wenig aufgeräumt hatten , machten wir uns so gegen vier an das bereits vorher vereinbarte „Freiwilligen-Wichteln“, bzw. „Amigo secreto“ (= geheimer Freund), wie es hier in Ecuador heißt. Ich hatte lustiger weise Yannis gezogen und schenkte ihm eine Tüte mit selbst gebackenen Plätzchen und ein Flasche Pilsener (Bier) im Liga-Design :). Ich selber bekam von Fabian eine extrem coole Mütze, die seine Gastmutter selbst gehäkelt hatte.
Danach fuhr ich noch mit einigen anderen ins „Condado-Shopping“, ursprünglich um evtl. einen Film zu sehen, nachdem uns das Programm aber nicht zu sagte, setzten wir uns einfach in ein Cafe und quatschten noch den restlichen Abend.


Am nächsten Tag (Samstag, 18.12.) folgte direkt das gemeinsame Weihnachtsessen der „Senioren-Gruppe“ meiner Gastmutter, die ich ja bereits von meinem Wochenendausflug nach Otavalo direkt zu Beginn kannte, vielleicht erinnert sich der eine oder andere ja noch ;).
Diese Veranstaltung fand bei Yannis zu Hause statt, da seine Mutter auch zu diesem Kreis gehört. So kochte dann Yannis Gastbruder ein sehr leckeres Menü, bestehend aus Reis, einem Ananas-Kartoffel-Salat und einem köstlichen Braten mit Champignon-Rahm-Sauce. Dies hatten wir ihm eigentlich gar nicht zugetraut, da er uns bisher lediglich durch das stundenlange Computer-spielen aufgefallen ist (-> Starcraft) :).
Die Uhrzeit war allerdings ein wenig merkwürdig, ursprünglich handelte es sich nämlich um ein Mittagessen, das um zwei beginnen sollte, letztlich wurde aber gegen fünf aufgetischt – naja, typisch Ecuador eben, Pünktlichkeit ist hier nun mal ein Fremdwort ;).
Nachdem wir auch den Kuchen geschafft hatten, machten sich alle anderen daran im Wohnzimmer gegenseitig Geschenke zu verteilen, ich glaube, es war so eine Art Wichteln. Da Yannis und ich uns sowieso gegenseitig beschenken sollten, aufgrund des Wichtelns mit den anderen Freiwilligen am Vortag aber beschlossen hatten uns nichts zu schenken, kümmerten wir uns eben um den kompletten Abwasch, was erst mal ordentlich Zeit in Anspruch nahm.
Danach spielten wir noch „31“, ein Kartenspiel das Yannis bereits aus Deutschland unter dem Namen „schwimmen“ kannte, mir war es jedoch noch unbekannt, was aber nichts machte, da es nicht all zu kompliziert war. Es war ein sehr spaßiger Abend an dem wir viel fluchten (auf das Spiel und die Karten ^^) und lachten.
Danach ging es für Yannis, meine ältere Schwester, die wir überredet hatten mit zu kommen, und mich aber noch weiter: Johanna, eine Mit-Freiwillige hatte unter der Woche Geburtstag gehabt und feierte diesen in einem Club in den wir also noch nach kamen. Dort amüsierten wir uns prächtig und fuhren dann irgendwann gegen drei gemeinsam mit dem Taxi heim.


Und da der 24. nun immer näher rückte, lies auch die nächste Weihnachts-Feier nicht lange auf sich warten, nämlich die unserer Schule. Diese fand am letzten Schultag, Dienstag den 21.12. statt. Nachdem bereits die ganze Woche davor (12.-17.), einschließlich des Montags (20.) noch Examen zum Abschluss des Trimesters waren, und ich dementsprechend viel zu tun hatte, mit Hefte plus Hausaufgaben der letzten Monate und der frisch geschriebenen Tests korrigieren, freute ich mich schon richtig auf diesen stimmungsvollen Ausklang.
Es wurde dann auch echt eine richtig witzige Veranstaltung die mir viel Spaß bereitete. Das Programm bestand nämlich darin, dass sich die Eltern einer jeden Klasse der Reihe nach mit einer einstudierten Aufführung (-> Sketch, Tanz, Lied usw…) salopp gesagt zum Affen machten, natürlich sehr zur Belustigung der anderen Eltern, Schüler und Lehrer.
So gab es Mütter in „Weihnachts-Frau“-Kostümen in ein Liedchen trällerten, eine Modeschau von verschieden kostümierten Müttern, die jeweils von einem „Player-Weihnachtsmann“ (-> dem Klassenlehrer) auf den Laufsteg geführt wurden oder einen Tanz in traditionellen Kleidern.
Auffällig war dabei, dass nahezu ausschließlich Frauen auftraten, ein paar Väter beschränkten sich höchstens darauf die Vorstellungen in amüsanten Tierkostümen zu ergänzen.
Doch wir, die Volunteers sahen dabei nicht nur faul und tatenlos zu, sondern hatten selber genügend zu tun. Wir verkauften kleine Weihnachtpräsente, deren Erlös unserer Fußball-Mannschaft zu Gute kommen sollte. Dazu hatten wir einiges vorbereitet: Aude, die Schweizer VASE-Freiwillige, hatte in ihren Kunststunden mit den Kinder kleine Tütchen gebastelt und bemalt/verziert, Daniela, eine private schweizer Freiwillige hatte Bonbons und Kekse gekauft, um sie damit zu füllen, und ich hatte Plätzchen gebacken, um diese auch bei zu legen.
Während sich also eine Eltern-Gruppe nach der anderen redlich bemühte boxten wir uns durch die Zuschauermenge und verkauften unsere „Fundas“ für 50 Cent das Stück. Das Geschäft lief wesentlich besser als erwartet, und so hatten wir in kürzester Zeit alle verkauft und dabei knapp 30$ eingenommen.
Nachdem alle Klassen ihre Vorführungen hinter sich gebracht hatten, gingen Kinder, Eltern und Lehrer alle in ihre jeweiligen Klassen um dort gemeinsam ein wenig „Weihnachten“ zu feiern. Für die Schüler gab es kleine Geschenke und in jedem Zimmer war ein von den Eltern organisiertes Buffet mit Knabber-Zeugs, Kuchen und Getränken aufgebaut.
Nachdem die Kinder dann so gegen halb zwölf gegangen waren, wurde eine große Tafel für das Weihnachtsessen der Lehrer gedeckt. Dieses wurde wieder von Yannis seinem Gastbruder und dessen Freundin gekocht, und schmeckte ausgezeichnet :D.
Nach dem Essen bekam jeder Lehrer von der Schule noch ein kleines Geschenk überreicht, woraufhin ein alle ein paar Worte zu Weihnachten verlieren sollten. Dabei viel vor allem auf, dass wahrscheinlich vier von fünf Lehrern Gott dankten und allen viel Segen wünschten :).



Die "Weihnachts-Muttis".



Die süßen "Weihnachts-Elfen" aus dem Kindergarten.



Traditioneller Tanz von der "Costa".



Daniela (Schweiz) und ich.



Das gemeinsame Lehrer-Essen.



Doch kam in den Wochen davor schon nicht allzu viel Weihnachts-Stimmung auf, so setzte Heiligabend dem ganzen noch die Krone auf.
Am Vorabend (23.) fragte meine Gastmutter nämlich, ob ich nicht Lust hätte am nächsten Morgen um 5:30 Uhr mit Ihnen nach Puyo zu fahren. Dabei handelt es sich um ein kleines Städtchen, umgeben von „secondary forrest“ (-> also noch nicht übertriebener Urwald, aber schon Dschungel) im Oriente/Amazonasbecken, ca. 5-6 Stunden Autofahrt vom Norden Quitos, wo ich wohne. Scheinbar war das Ganze eine recht spontane Idee, denn keine Woche zuvor hatte meine Schwester mich noch gefragt, ob ich dann auch mit ihnen ins Centro Historico mit in die Kirche gehen würde, worauf ich mich aufgrund des Ambientes eigentlich schon ziemlich gefreut hatte. Aber da konnte ich natürlich nicht nein sagen und so packte ich noch einige Klamotten und stellte dann meinen Wecker wiederwillig auf 5:00 Uhr. Das aufstehen viel mir um so schwerer, da ich aufgrund des kurzfristigen Aufbruchs noch in der Nacht einige Dinge erledigen musste, wie zum Beispiel die Weihnachtsgeschenke fertig zu stellen oder Plätzchen zu backen, um wenigstens ein bisschen in Adventsstimmung zu kommen.



Vanille-Kipferl



Kokos-Makronen


So ging es dann also am 24. Dezember früh morgens los in Richtung Dschungel. Wir fuhren mit meinem „Gastvater“ und seinem Auto, das auch meistens bei uns vor der Haustür parkt, da es dort einen freien Stellplatz gibt. Fernando lebt zwar getrennt etwas weiter nördlich, es verstehen sich aber irgendwie trotzdem alle super miteinander.
Die Fahrt gestaltete sich sehr unterhaltsam, wir redeten viel, hielten unterwegs zum Mittagessen an und hörten die unterschiedlichsten CD’s.
Nachdem wir uns ein, zweimal etwas verfahren hatten, kamen wir erst gegen halb vier an und machten uns dann erst mal auf die Suche nach einer Unterkunft. Aus diesem Grunde konnte ich leider auch meinen „Weihnachts-Skype-Termin“ mit meiner Familie in Deutschland nicht wahrnehmen, was mich schon ein bisschen traurig machte. Doch viel Zeit blieb mir nicht zum Trübsal blasen, da die Umgebung in Puyo, das Zusammensein mit meiner (Gast-)Familie und die geniale Unterkunft mich alles andere vergessen ließen. Dabei handelte es sich um ein überwiegend aus Holz gebautes Häuschen mit Terrasse und wundervollem Ausblick, denn, obwohl man es über einen Durchgang an der Hauptstraße erreichte, gelangte man doch nach wenigen Schritten durch Hinterhöfe und über einige Treppen in ein kleines, von den verschiedensten Pflanzen bewachsenes Paradies. Hoch spannend war auch der jüngste Sohn der Hausbesitzer, der mit ihnen immer noch im Nebenhaus wohnte und derzeit „Schamanologie“ studiert. So führte er uns zu Beginn gleich durch den Garten und zeigte uns unterschiedliche Pflanzen, die, seiner Aussage nach, gegen alle mögliche Krankheiten halfen – so gab es Gewächse für Diabetiker, gegen Zahnschmerzen und angeblich sogar gegen Krebs. Besonders faszinierend fand ich die Zimt-Sträucher, hatte ich mir doch bisher noch nie Gedanken darüber gemacht, wo dieses fabelhafte Gewürz herkommt. Hätte man mir erzählt, es wird, wie Kartoffeln, aus der Erde gezogen – ich hätte es wohl auch geglaubt… ;).
Ein weiteres Highlight waren die zwei Papageien, die uns auf einer Metallstange sitzend empfingen und so zahm waren, dass man tolle Fotos von ihnen schießen konnte.



"Tor zum Amazonas" - Willkommen in Puyo.



Aussicht von der Terrasse.




Nachdem wir nun also eine Bleibe für die nächsten Tage hatten, machten wir uns zu einer Art „Affenreservoir“ in der Nähe auf. Dabei handelte es sich um eine „Affen-wiederaufpäppel-Station“, die von der Polizei aus den unterschiedlichsten Gründen hilfsbedürftige Affen vorbeigebracht bekommt – zum Teil angefahrene, am Straßenrand gefundene, zum Teil in unwürdigen Verhältnissen gehaltene Haustiere usw usw…
So gab es die unterschiedlichsten Fälle – Affen, denen eine Hand fehlte, welche die aufgrund von Vitamin D-mangels verkrüppelte Knochen hatten oder besonders aggressive, die daher in einem Gehege gehalten wurden.
Dort schlenderten wir dann gemeinsam mit einem der „Pfleger“ herum, der uns etwas zu den verschiedenen Affen und sonstigen Tieren (-> Schlangen, Vögel und Ameisenbär-ähnliche Wesen) erzählte. So sahen wir z.B. die größte Affenart, die in Südamerika lebt und natürlich auch Totenkopf-Äffchen :). Zum Teil waren die Tiere so zutraulich, dass sie einen einfach „ansprangen“ und auf einem herum turnten. Wir wurden auch extra davor gewarnt auf unsere Wertsachen acht zu geben, da diese von den Affen gerne in die Baumwipfel entführt werden, und tatsächlich konnte meine Schwester ihr Handy nur mit Mühe und Not gegen einen übermütigen Affen verteidigen ;).
Insgesamt war es schon echt ein tolles und einmaliges Erlebnis, ich mein, wann kommt es schon mal vor, dass einem an Weihnachten Affen auf dem Kopf herum tollen? :D



"La Dora" beim Essen.



Verkrüppelter Arm aufgrund von Vitamin-D-Mangels.



Meine Schwester war äußerst beliebt, und freute sich auch sehr darüber, ganz im Gegensatz zu...



... meiner Mutter...



... und meiner anderen Schwester.





Ihr Spitzname: "Dora, la Exploradora."





Wer wollte, konnte auch selbst den Affen spielen ;).

Danach fuhren wir dann noch zu einer Mischung aus Bioreservat und „Zoo“, den man aber kaum mit einem seiner Namensvettern in Deutschland vergleichen kann – sowohl Wege als auch Gehege waren sehr natürlich gehalten, so dass man teilweise Schwierigkeiten hatte, die Tiere überhaupt zu entdecken. Speziell die Wildkatzen waren sehr beeindruckend.










Danach fuhren wir wieder in unsere Unterkunft zurück. Dort sah ich mir dann mit meinen Schwestern Teile von „Fluch der Karibik“ im Vorabendprogramm an, bevor wir uns dann gegen acht in die Stadt auf machten um etwas zu essen. Letztlich gab es sehr leckeren Fisch aus einem der umliegenden Flüsse. Wieder „zu Hause“ angekommen verbrachten wir dann den restlichen Abend mit Karten spielen. So wurde ich endlich in das überall präsente und für Ecuadorianer fast schon heilige national-Kartenspiel „Cuarenta“ (-> „Vierzig“) eingeweiht – ein etwas weniger kompliziertes und daher auch nicht ganz so taktisches Spiel wie z.B. Schafkopf oder Skat. Wie erwähnt erfreut es sich bei den Einheimischen größter Beliebtheit, insbesondere bei den Männern, die dann oft mit ihren Kumpels und einem Kasten Bier um kleinere oder auch größere Geld-Beträge spielen. Meine Mutter meinte einmal, speziell an der Costa würden die Frauen arbeiten, damit die Männer dann das Geld wieder beim Karten spielen verzocken und versaufen können :).

Doch der eine oder mag sich jetzt vielleicht fragen: und was war mit Weihnachten, Heiligabend, Bescherung oder dergleichen?? Tja, dies suchte man vergeblich, der „offizielle Teil“ beschränkte sich auf das Anstoßen mit einem zu diesem Zweck am Abend gekauften Sekt nach dem Karten spielen, unmittelbar vor dem ins Bett gehen. Meine Mutter sprach ein paar Worte, wir wünschten uns alle viel Glück und frohe Weihnachten, und das wars im Prinzip. Meine Schwester hatte noch für jeden etwas Schokolade und eine hübsche, selbstgeschriebene Karte vorbereitet, doch damit war das Thema Geschenke eigentlich auch schon wieder erledigt – von dem Rest meiner Familie war dies scheinbar nicht vorgesehen, und ich hatte dummerweise vor lauter Eile und Verschlafenheit in der Früh meine Geschenke in Quito vergessen.

Diese verteilte ich dann nach unserer Rückkehr, so gab es für meine beiden Schwestern jeweils einen unterschiedlichen „Souvenir –Schlüsselanhänger“ von München, für meinen Vater einen Kalender mit Motiven aus dem schönen Bayern und für meine Mutter hatte ich einen Kalender mit Urlaubsbildern meiner „richtigen“ Familie (-> z.B. Ski fahren in den Alpen oder Segeln an Starnberger- und Gardasee) selbst gebastelt. Ich sage dabei bewusst „selber gebastelt“, da sich das Ganze als überaus kompliziert heraus stellte. So musste ich in einer regelrechten Odysee lange suchen, bis ich schließlich einen Laden fand der mir zwölf verschiedene Bilder mit den Tagen für ein heiden Geld ausdruckte, die ich dann auch noch selber binden musste.
Naja, meine Mutter/Familie hat sich jedenfalls sehr darüber gefreut und so war es seinen Aufwand wert.

Doch zurück zu Heiligabend – nach dieser recht unspektakulären „Zeremonie“ war Schicht im Schacht und wir gingen alle müde ins Bett. Zugegeben, insgesamt war das ganze schon ziemlich „unweihnachtlich“, doch wahrscheinlich war es auf diese Art sogar „besser“ – wenn einem am 24. Dezember Affen auf dem Kopf herum turnen, fällt es einem einfach schwer an Weihnachten zu denken, wäre ich jedoch unter einem kitschigen Plastikweihnachtsbaum gesessen, hätte ich die gewohnte, deutsche Bescherung wohl mehr vermisst, als es so der Fall war. So gesehen war ich eigentlich recht froh, um dieses so unglaublich andere Weihnachtsfest.

Am nächsten Morgen standen wir dann schon zeitig auf und fuhren direkt nach Tena, einem weiteren Ort, der ebenfalls in den Ausläufern des Amazonas-Beckens und ca. eine Stunde nördlich von Puyo liegt. Nachdem wir dort erst einmal gefrühstückt hatten, erkundigten wir uns, was man dort den so machen könnte, die ernüchternde Antwort war jedoch leider „Im Prinzip nicht viel.“ So plantschten und wateten wir noch ein wenig mit hochgekrempelten Hosen in dem Fluss, der die Stadt durchquert und genossen dabei die wunderbar warme Sonne die von dem wolkenfreien Himmel schien, machten uns dann aber recht bald wieder auf den Rückweg. Auf halber Strecke bogen wir hinter einem kleinen Restaurant mitten in den Urwald ab. Nach nur wenigen Metern überquerten wir mit dem Auto eine abenteuerliche Hängebrücke, danach ging es auf holpriger Straße eine viertel Stunde durch dichten Wald. So endeten wir schließlich an einer Art Kiosk mit Klohäuschen, Volleyball-Feld und Parkplatz, auf dem schon einige Fahrzeuge, überwiegend Pick Ups standen. Ein paar Meter weitern ging es die Böschung hinab zu einem relativ breiten Fluss in dem sich bereits zahlreiche Leute tummelten und erfrischten, wollte man diesen jedoch trockenen Fußes überqueren, so gab es zu diesem Zwecke auch eine Brücke zum anderen Ufer.
Was soll ich sagen, die Sonne schien, es hatte so um die 25°, und das Wasser war herrlich erfrischend, kurzum, es war einfach perfekt!!!
Zur Krönung konnte man noch von der ca. 8-10m hohen Brücke springen oder sich wahlweise an daran befestigten Seilen in Tarzan-Manier in die Fluss-Mitte schwingen.
Nachdem wir ein, zwei Stunden in der Strömung gebadet hatten, und ich auch noch von der Brücke gesprungen war, machten wir uns langsam wieder auf den Rückweg.












Als wir so gegen sieben wieder zu Hause ankamen schaute ich mir mit meinen Schwestern noch „Cast Away – Verschollen“ im Fernsehen an, danach fielen wir alle erschöpft in die Federn.
Am nächsten Morgen standen wir recht früh auf und packten unsere Sachen zusammen, da es am Abend wieder heimwärts gehen sollte. Davor stand uns aber noch mal ein ereignisreicher Tag bevor. Zunächst besuchten wir einen „Vogelgarten“, etwas außerhalb von Puyo, in dem es von Papageien und Tucanen, über chinesische Enten und Fasane bis hin zu einem Vogelstrauß fast alles zu sehen gab.



Nochmal die Papageien vor der Abreise.



Kunterbunter Tucan.




Danach ging es, da es ohnehin auf dem Heimweg lag, in das ultimative „Gringo (= Touristen)-Mekka“ Banos, in dem ich ja auch schon ein Wochenende war. Dort ging es als erstes in die Kriche, in der gerade der Gottesdienst zum 2. Weihnachtsfeiertag lief, dem wir noch die letzte halbe Stunde beiwohnten. Als nächstes besichtigten wir ein Museum, wobei es schwerfiel genau zu sagen um was für ein Museum es sich handelt, da es alle nur erdenklichen Dinge zur Schau stellte. So gab es unter Anderem ausgestopfte Tiere, altes Spielzeug, traditionelle Polizei- und Militär-Uniformen und indigenen Schmuck.
Nach diesem „Kultur-Programm“ begaben wir uns noch in eine der zahlreichen, Vulkan-beheizten Thermen, für die Banos berühmt ist. Nach 1,5 Stunden sehr entspannender „Schrumpel-Action“ ;) in einem der heißen, aber wie immer überfüllte Becken, spazierten wir noch zu einem Wasserfall, an dessen Ende das Wasser in ein heiliges Becken der Jungfrau Maria fällt und deshalb gesegnet ist, oder irgendwie so ähnlich, so ganz habe ich es nicht verstanden :). Jedenfalls mussten wir uns davon natürlich noch zwei, drei Liter in einen Plastik-Kanister füllen, die ein pfiffiger und geschäftstüchtiger Kerl fünf Meter weiter für einen Dollar das Stück verkauft hat :). Naja, ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, katholische Spinnerei eben und eben auch typisch Ecuador… ;)



Kaltes, dafür leeres Becken :).




Da wir jetzt gegen alles Böse gefeit waren ;), konnten wir nun unsere Heimreise antreten. Diese stellte sich insgesamt als recht zähe Angelegenheit heraus, da es weite Teile stark staute und wir so eine halbe Ewigkeit brauchten. Zwischendurch hielten wir nochmal in Pelileo, einem kleinen Kaff, dass für die Jeans-Herstellung bekannt ist, weshalb sich an der Hauptstraße ein Kleidungs-Laden/Wühltisch an den anderen reiht. Nachdem sich jeder entsprechend eingedeckt hatte – ich erstand zwei topp-Jeans, für jeweils 9$, wofür ich logischerweise einen Bruchteil der Zeit brauchte, die meine Schwestern benötigten ;) – ging es weiter Richtung Quito. Als wir dort dann relativ spät gegen zehn ankamen, viel ich sofort wie tot ins Bett – bereits auf den letzten Kilometern hatte sich mein Verdauungstrakt merklich zu Wort gemeldet, und so verbrachte ich dann auch den kommenden Vormittag (28.12.) wechselweise im Bett oder auf dem Pott. Dabei fühlte ich mich unglaublich schlapp und konnte kaum zehn Minuten stehen ohne mich völlig erschöpft und schweißgebadet wieder hinlegen zu müssen. Mittags konnte ich dann aber endlich ein, zwei Stunden am Stück schlafen, und plötzlich ging es mir auf einen Schlag besser – ich konnte wieder problemlos aufstehen und musste den restlichen Tag nur noch selten aufs Klo. Wirklich merkwürdig, diese Durchfall-Erkrankungen hier, genauso schnell wie sie einen außer Gefecht setzen verschwinden sie auch wieder.

Die nächsten Tage verbrachte ich entspannt zu Hause – ich VERBRACHTE Zeit mit meiner Familie, brachte mein Zimmer endlich mal wieder auf Vordermann und schrieb den Blogeintrag zu den Fiestas, außerdem nach 5 Monaten endlich meinen 3-Monats-Zwischen-Bericht für meine Organisation ICJA :). Diesen lade ich direkt nach diesem Eintrag auch noch mal gesondert hoch.

Und dann stand schlussendlich der letzte Tag des Jahres an.
Im Gegensatz zu (fast) allen anderen Freiwilligen hatte ich mich entschlossen Silvester nicht wie geschätzte zwei Millionen andere Gringos/Touristen am Strand, speziell in Montanita, zu verbringen, sondern stattdessen mit meiner Familie hier in Quito. Dies hatte vor allem zwei Gründe: Zum Einen war ich nicht bereit in Montanita aufgrund der Touri-Massen 20$!!! oder mehr pro Nacht auszugeben, um dann mit einem Haufen Amis, Deutschen und sonstigen Europäern das neue Jahr zu begießen, zum Anderen wollte ich gerne mit meinen Schwestern und ihren Freunden hier aus unserer Siedlung feiern, da dies laut den Erzählungen meiner Schwestern auch lustig zu werden versprach.
So fuhr ich am Vormittag zunächst mit meiner Familie ins Centro Historico um in eine der unzähligen, reich verzierten Kirchen zu gehen. Da wir uns hier in Ecuador befinden, gingen wir natürlich viel zu spät los und der Gottesdienst war bereits zu Ende. Im Anschluss daran blieben wir noch etwas bei einer Band aus Otavalo stehen, die traditionelle, indigene Musik spielte und auf dem „Plaza de Teatro“ ihr letztes „Konzert“ des Jahres gab ;).
Dann machten wir uns auf den Weg zur „Avenida Amazonas“, der großen Straße die das Mariscal durchquert/“streift“, und auf der ja auch schon die große Parade am letzten Tag der „Fiestas de Quito“ stattgefunden hatte. Diese verwandelt sich jedes Jahr am 31. Dezember in eine riesige, ja, in was eigentlich. Es fällt mir wirklich schwer ein passendes Wort dafür zu finden. Am ehesten vergleichbar ist dieses Event vielleicht mit Fasching und den zahlreichen Rosenmontags-Umzügen bei uns in Deutschland, bloß ohne Umzüge ;) – es gab zahlreiche Bühnen, zum Teil mit musikalischem Programm, zum Teil aber auch mit Werbung verschiedener Unternehmen oder aber überlebensgroßen Figuren von Politikern oder anderen Promis, die dann durch absurde Gestaltung und/oder Lautsprecher-Durchsagen aufs Korn genommen wurden.
Außerdem gab es „Themen-Bühnen“ der Polizei Quitos, gegen den Stierkampf oder für den Erhalt des umkämpften Yasuni-Nationalparks.
Auch die „Besucher“ liefen, ganz Karnevals-typisch, kostümiert durch die Gegend. Größter Beliebtheit erfreuten sich dabei vor allem Zauberer-/Hexen-Kostüme oder aber verschiedene Masken, zumeist auch wieder von Politikern (z.B. Correa = Präsident) und Prominenten (z.B. Michael Jackson). Vereinzelt gab es aber auch andere, teilweise recht ausgefallene Verkleidungen.
So schlenderten wir am frühen Nachmittag amüsiert einmal über die komplette Meile. Meine Schwestern waren etwas erbost darüber, dass wir bereits so früh dort waren, da es am Abend dort wesentlich cooler sei. Da hätte es zwar dann scheinbar auch ein Feuerwerk gegeben, wenn es aber tatsächlich stimmte, dass, wie sie behaupteten, dann noch mehr Leute da wären, war ich ganz froh bereits am Nachmittag dort gewesen zu sein, denn bereits zu dieser Zeit war es extrem voll und dicht gedrängt. Außerdem hätte man dort eh nicht „rein feiern“ können, da das Ganze aus Sicherheitsgründen bereits um neun endete.
So saßen wir schließlich gegen halb fünf in einem der Busse und machten uns auf den Rückweg.



Merkwürdige Sekte, die die Errettung der Bergleute in Chile zu ihrem Motto gemacht hat.





Schaubild, das anprangern möchte, dass Ecuador den USA, dargestellt durch Hillary Clinton, hörig sei.



Bühne für die Erhaltung des Natinalparks Yasuni.



Es war gut was los...



Abgefahrene Kostüme.


Als wir wieder bei uns zu Hause waren, hieß es keine Zeit verlieren, schließlich musste ich mich „in Schale schmeißen“ – nun folgte nämlich ein typisch, ecuadorianischer Brauch, ich verkleidete mich als „viuda“, übersetzt etwa „Witwe“. Jedes Jahr gibt es hier zahlreiche Männer die an Silvester als Frau kostümiert durch die Straßen ziehen, dabei Autos anhalten und dann antanzen und dafür in der Regel ein paar Münzen kriegen.
So lieh mir meine Schwester also eines ihrer längeren Kleider, angesichts unseres Größenunterschieds schaute aber trotzdem meistens der Saum meiner Boxershorts darunter hervor :) (-> „kleines Schwarzes“ ;) ).

Außerdem glättete sie mir noch das vordere Drittel meiner schönen Locken :(, und fuhr dann ihr komplettes Repertoire an ecuadorianischer Schmink-Kunst auf… :S
So gerüstet begab ich mich also zu der Straße, die vor unserer Siedlung vorbei führt. Dort waren einige andere Jungs aus unserem „Conjunto“(-> Freunde meiner Schwestern) schon zugange, wir hatten sie bereits gesehen und begrüßt als wir aus der Stadt zurück gekommen waren.
Und so begannen wir also ein Auto nach dem anderen zu stoppen und diese mit verführerischen Blicken, unwiderstehlichem Gesäusel und skurrilen Tanzeinlagen davon zu überzeugen uns mit ein paar Cent zu endlöhnen.
Nach einer guten Stunde riesigen Spaßes bin ich dann wieder nach Hause gegangen, um mich um zu ziehen und ab zu schminken. Meine Einnahmen beliefen sich auf stattliche 3,50$ :), die ich gemeinsam mit den anderen Jugendlichen wieder in Bier „investierte“, welches wir vor der Siedlung „vernichteten“. Es war eine sehr amüsante Runde, in der ich natürlich mal wieder der „Exot“ schlechthin war ;) – einziger nicht-Ecuadorianer, trotzdem als Frau auf der Straße getanzt und dann auch noch Biere mit dem Handy öffnen… :)







Meine Familie bestand auf die Flagge, ich sei ja schließlich eine deutsche Witwe... ;)



Das Ganze lief dann in etwa so ab: Anhalten/Tanzen...



... elegant zum Fenster watscheln ;)...



... irgend nen charmanten Quatsch säuseln...



... und "abkassieren"! :D ;)



Meine Mitstreiter(innen)... :)



Und dann gings ans Münzen zählen...


Das Ganze endete jedoch schon wieder nach zwei Stunden (ca. acht bis zehn), da es hier in Ecuador üblich ist, dass man die letzten Stunden vor dem Jahreswechsel mit der Familie verbringt. So gingen auch wir nach Hause um gemeinsam mit unserer Mutter sehr lecker zu essen. Lustig dabei war, dass sich das Bier wohl schon bemerkbar machte, meine Mutter störte das aber nicht weiter, im Gegenteil, sie fand das Ganze sogar recht amüsant ;).

Gegen viertel vor zwölf gingen wir dann auf das große Erd-Fußballfeld, welches in unserer Siedlung liegt, wo bereits 100-150 Leute versammelt waren. Um Mitternacht verbrannten dann viele ihre „ano viejos“ (-> aus Zeitung und Kleidern gebastelte Puppen, die das alte Jahr symbolisieren sollen) und es wurden einige Raketen und Böller gezündet. Ich sprang dreimal über eines der Puppen-Feuer, da dies Glück fürs kommende Jahr bringen soll :). Hoffen wir dass es hilft… ;)
Danach quatschten wir noch ein wenig mit den anderen Jugendlichen bevor ich schließlich völlig fertig gegen halb zwei ins Bett fiel.





Puppen die symbolisch zum Jahreswechsel verbrannt werden,...



... zum Teil mit Eukalyptus-Zweigen, wegen des Geruchs.





Euch allen ein frohes Neues!! ;) (-> bisschen spät, aber egal :) )


Insgesamt war es ein sehr spaßiges und mal total anderes Silvester. Ich bereue es absolut nicht hier geblieben zu sein, zwar muss es auch recht cool gewesen sein, mit hunderten Leuten das neue Jahr am Strand zu begrüßen, doch da andere das Ganze auch als „Ballermann“ beschrieben, bin ich doch ganz froh hier in mit meinen Schwestern und ihren Freunden gefeiert zu haben :).

Am darauffolgenden Montag (3.1.) begann dann auch schon wieder die Schule.

So, das solls jetzt aber auch gewesen sein. Nochmal Entschuldigung, dass es so ewig gedauert hat, aber die nächsten Einträge folgen nun schneller, es gibt ja noch fast drei Monate auf zu holen ;).

In diesem Sinne, viele sonnige und warme Grüße aus Ecuador,
euer Moritz